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Das Zeppelinfeld in Nürnberg (Reichsparteitagsgelände)

Eindrücke von einer Geomantie- und Feng-Shui-Führung

von
Gerd-Lothar Reschke

Inhalt

  • "Inszenierungen" und andere Ungeheuerlichkeiten
  • Die Große Straße
  • Das Zeppelinfeld
  • Faszination und Wirkung
  • Kongreßhalle
  • Kraftplätze auf dem Parteitagsgelände
  • Deutsches Stadion
  • Eine germanische Religion
  • Fragment im Fragment: Das neue Dokumentationszentrum
  • Vision und Verantwortung
  • Fahren auch Sie hin!

  • Ausgewählte Links
  • Weiterführende Tips

"Inszenierungen" und andere Ungeheuerlichkeiten

Wer das Reichsparteitags-Gelände betritt, der wird sich, vor allem beim ersten Mal, womöglich wie auf einem anderen Planeten vorkommen. Die hier befindlichen Gebäude und Anlagen widersprechen dem heute üblichen Denken, und sie durchstoßen in gewissem Sinne auch unsere herkömmlichen Wahrnehmungskategorien. Da ist zum einen sicher die schiere Größe zu nennen, zum anderen aber auch der für uns heute ungewohnte Umgang mit Energien und Kräfteverhältnissen.

Meiner Beobachtung nach verfallen viele — besonders die, die nicht gewohnt sind, sich ein völlig eigenes Urteil zu bilden, sondern lieber die herkömmliche, vorgefertigte Seh- und Denkbrille aufsetzen — unmittelbar in mentale und emotionale Abwehrreaktionen. Es gibt genug Menschen, die sofort beginnen, sich über diese Gebäude und Anlagen fürchterlich zu ärgern und darin ein wahres Teufelswerk sehen; der Mensch würde hier verachtet, gedemütigt, klein gemacht usw. Das Lieblings- und zugleich das Schlüsselwort dieser Reaktion lautet "Inszenierung". Man hätte damals nur "inszeniert", heißt es, also Theater gespielt.

Genau so könnte jede Epoche über die andere (frühere können sich naturgemäß schlecht wehren, indem sie den Spieß umdrehen) behaupten, auch sie würde mit Inszenierungen arbeiten. Politik ist immer auch Inszenierung, und wer über die Kirche sprechen will, der wird erst recht nicht ableugnen können, daß dort noch viel mehr mit Inszenierung gearbeitet wird — man schaue sich nur einmal katholische Gottesdienste, Abendmähler, Papstauftritte oder die Aufführungsgepflogenheiten von Feiertags-Festen an. All das sind immer Rituale — eben weil der Mensch darauf reagiert, denn er erlebt nicht nur rational, sondern mindestens genau so irrational, und er empfindet (übrigens mit völligem Recht) nun einmal emotional, instinktiv, intuitiv. Wer so etwas per se schlechtreden will, der hat etwas Entscheidendes nicht verstanden — und der wird auch Architektur nie verstehen und offen wahrnehmen können. Er muß wichtige Bestandteile architektonischer Wirkung immer leugnen, meiden, ausklammern oder verteufeln (und damit auch wichtige Seiten des Menschen leugnen, meiden, ausklammern oder verteufeln).

Mit magischen Floskeln wie einem ständig naserümpfend wiederholten Schlagwort läßt sich ein derartig hochkomplexes Ganzes nicht aufspießen und ins Schubkästchen ablegen. Die Empfindungen, die dieses auf der Welt einmalige bauliche Areal in so gut wie jedem wachruft, der es betritt und erlebt, verdienen es, näher untersucht zu werden. Dazu ist es nötig, vom ideologischen und rhetorischen Roß herunterzusteigen und sich daran zu machen, selbst Betrachtungen anzustellen.



Reichsparteitagsgelände, Große Straße

Große Straße, historische Luftaufnahme



Die Große Straße

Dieses erstaunlich breite, mit Granitplatten höchster Qualität belegte Straßenband ist auf die Nürnberger Burg ausgerichtet und soll damit symbolisieren, daß das Dritte Reich an das Erste Deutsche Reich anknüpft, dessen Kaiser in Nürnberg gekrönt wurden. (Nürnberg war damals neben Augsburg die wohlhabendste und einflußreichste Stadt Deutschlands.) In Nürnberg waren bis zu Zeiten Napoleons auch die symbolträchtigen Reichsinsignien aufbewahrt, die dann von den Nationalsozialisten wieder zurück nach Nürnberg gebracht wurden und heute in Wien aufbewahrt werden.

Nach Süden zielt die Ausrichtung auf Regensburg und die Walhalla, wodurch sich insgesamt folgende Achse bildet, die mehrere Kaiserstädte und andere wichtige Orte der deutschen Geschichte miteinander verbindet: Aachen, Frankfurt, Würzburg, (Parteitagsgelände,) Regensburg bzw. Walhalla.



Reichsparteitagsgelände, Große Straße

Große Straße, heutiger Zustand nach
Neuverlegung der Platten in den 90er Jahren


Reichsparteitagsgelände, Tafel

Foto der Erläuterungstafel


Das Zeppelinfeld

Als Veranstaltungsfeld war dieser Platz vorher schon vorhanden; hier landete Graf Zeppelin am 27.8.1909 erstmals mit seinem Flugschiff Z3. Nach dem Vorbild des Pergamonaltars, aber 7-fach vergrößert, wurde die offene Fläche dann ab 1934 von den Nationalsozialisten unter Federführung von Albert Speer ausgebaut. Sie diente mit ihrer rechteckigen Tribünenanlage von nun an als Gelände für Aufmärsche und Feierlichkeiten.


Reichsparteitagsgelände, Zeppelinfeld, hist.

Zeppelinfeld (1938)


Reichsparteitagsgelände, Zeppelinfeld

Zeppelinfeld heute (2002), nach Sprengung der Säulen in den 1980er Jahren,
wird heute für Autorennen und Rockkonzerte genutzt


Die Bebauung wurde 1937 fertiggestellt. Während der Reichsparteitage konnte die Zeppelintribüne etwa 70.000 Personen und das Zeppelinfeld rund 250.000 Menschen aufnehmen.

Ab 1936 wurden die Veranstaltungen durch Beleuchtungseffekte, den sogenannten Lichterdom, noch spektakulärer gemacht. Hierzu setzte man 130 Flakscheinwerfer ein, die bis zu 6000 Meter in den Himmel strahlten. Der Lichtschein war bis nach Frankfurt und Prag zu beobachten.


Reichsparteitagsgelände, Zeppelinfeld, hist., Lichterdom

Veranstaltung am Zeppelinfeld
mit Lichterdom


Leni Riefenstahl, die im Sommer 2002 ihren 100-sten Geburtstag feiert, drehte hier ihren bekannt-berüchtigten Film Triumph des Willens, der damals auch im Ausland zahlreiche Filmpreise zugesprochen erhielt, darunter 1935 die Goldmedaille von Venedig und 1937 die Goldmedaille auf der Weltausstellung in Paris.

Zum Kriegsende sprengten die Amerikaner den Hakenkreuzadler; in den 1980er Jahren wurden die seitlichen Säulenkolonnaden nach einem Nürnberger Stadtratsbeschluß ebenfalls gesprengt.


Faszination und Wirkung

Ganz eindeutig verhält es sich so, daß, wo Faszination herrscht, auch Ursachen dahinterstecken, nämlich Kräfte im Menschen. Um zu verstehen, weshalb etwas wirkt und weshalb solche Kräfte entstehen, muß in die Wurzel, in den Ursprung des Phänomens hineingeschaut werden.

Wenn da, wo Kraft nach außen tritt, versucht wird, das zu kaschieren und wenn dann auch noch die Verantwortung dafür in irgendwelche außerhalb von einem selbst lokalisierten äußeren Gründe abgeschoben wird, denn nennt sich das: Projizieren. Kritik kann auch solches Projizieren sein — wenn nämlich Kritik nicht zur Lösung, zur besseren Alternative führt.

Kraft kann bewußt oder unbewußt wirken. Massenhysterie oder kritikloses Nachplappern gängiger Argumente ist unbewußtes Verhalten. Kriegsvorbereitung ist sicher unbewußtes Verhalten, denn es ist Vorbereitung auf ein Töten von Menschen und daraus kann nichts Gutes entstehen. Kraft kann aber auch Ausdruck eines Impulses zur Selbstentfaltung sein. Da gibt es den bezeichnenden Slogan Kraft durch Freude, der völlig zu Unrecht in Mißkredit geraten ist, denn er sagt etwas Wichtiges aus.

Große Kraft bringt große Verantwortung mit sich. Kraft zu meiden (oder: Freude zu meiden — was übrigens gar nicht so wenige tun), ist nur scheinbar eine Antwort. Es kann ein Ausweichen vor Verantwortung sein, ein Versuch, sich auf billige Weise zu drücken.


Die Kongreßhalle

Sie ist das größte Bauprojekt des Areals (neben dem bereits in den frühesten Ansätzen steckengebliebenen Deutschen Stadion, s.u.) und vermutlich eines der größten Gebäude in Deutschland. Obwohl Torso, halte ich sie dennoch nicht nur für beeindruckend, sondern für eines der wichtigsten Bauwerke überhaupt in diesem Land — ein Bauwerk von unschätzbarem Wert und ein Bauwerk mit einer derartigen Prägnanz und energetischen Intensität, daß es einen schier umhaut. Und ohne Übertreibung könnte man es auch eine nicht gesunkene Titanic nennen.



Reichsparteitagsgelände, Parteitag/Kongreßhalle

Parteitag/Kongreßhalle



Natürlich wird hier mit am meisten deutsche Vergangenheits-Verdrängung betrieben und deshalb war der Innenhof bis vor kurzen noch eine Art Abstell- und Rumpelkammer für unaufgeräumte Gerätschaften und Fahrzeuge. Jetzt erst, nachdem wieder halbwegs Platz geschafft worden ist, zeigt sich die erhebliche Wirkung dieser Anlage. Sowohl die Außenfassade als auch der Umgang müssen jeden unvoreingenommenen Betrachter durch die hohe Güte der eingesetzten Materialien (Granit) beeindrucken. (Nicht zu vergessen jedoch: Die Steine kamen z.T. aus KZ-Anlagen und wurden durch Zwangsarbeiter gewonnen.) Was wir sehen, ist nur der untere Teil; darüber hätten sich noch mit weiteren 30 Metern Höhe die Säulen erheben sollen, die das Dach getragen hätten.


Reichsparteitagsgelände, Parteitag/Kongreßhalle, Umgang

Parteitag/Kongreßhalle, Fassade


Reichsparteitagsgelände, Parteitag/Kongreßhalle, Umgang

Parteitag/Kongreßhalle, Umgang



Architekten waren Ludwig und Franz Ruff. Der Bau begann 1935. Der gesamte hufeisenförmigen Bau maß 275 Meter in der Länge und 265 Meter in der Tiefe und beeinhaltete zwei im Vergleich dazu kleine Vorhallen, die aber allein schon für sich riesige Ausmaße aufweisen. 50.000 bis 60.000 Menschen sollten in diesem Bauwerk Platz finden.


Reichsparteitagsgelände, Parteitag/Kongreßhalle, Modell

Parteitag/Kongreßhalle, Modell



Reichsparteitagsgelände, Parteitag/Kongreßhalle, historische Simulation des Innenraums

Parteitag/Kongreßhalle,
historische Simulation des Innenraums


Der Säulenumgang sollte 88 Pfeiler aufweisen. Das Dach war als riesige, freitragende Stahlkonstruktion (mit einer max. Spannweite von 170 Metern) geplant, für die 24.000 Tonnen Stahl benötigt worden wären. Das Mauerwerk bestand innen aus einem bis zu bis fünf Meter dicken Ziegelmauerwerk und außen aus Granitplatten. Hitler ließ sich seinerzeit Muster verschiedener Gesteinsfärbungen und Maserungen kommen und traf persönlich die Entscheidung über das verwendete Granitmaterial.


Reichsparteitagsgelände, Parteitag/Kongreßhalle, innen

Parteitag/Kongreßhalle,
innen, heutiger Zustand


Kraftplätze auf dem Parteitagsgelände

Nach Marko Pogacnik soll sich bei einer zwölfstämmigen Weide, die unmittelbar neben der Großen Straße steht, ein Kraftplatz befinden, der zusammen mit zwei weiteren Punkten die Basis einer Pyramide bildet, die sich über Nürnberg erhebt.

Nach Aussagen von Teilnehmern befindet sich an der Stelle der Rednerkanzel Hitlers auf dem Zeppelinfeld ein weiterer Kraftplatz.

Nach Vermutung eines Teilnehmers — sowie von meiner eigenen Wahrnehmung auf überraschende Weise bestätigt — befindet sich ein dritter, sehr starker Kraftplatz an der Stelle des geplanten Rednerplatzes innerhalb des Kongreßgebäudes, also: Auf der Mittelachse, wenn man diese auf der durchs Einfahrttor ins Innere führenden Asphaltstraße verfolgt, bis sie sich mit der (geplanten) geraden Nordseite kreuzt.


Eine germanische Religion

Bei Betrachtungen, die den politischen Aspekt, den auf Kriegvorbereitungen ausgerichteten Aspekt sowie den psychologischen Beeindruckungseffekt berücksichtigen, wird allzu leicht vergessen, daß es hier nicht zuletzt um Religion ging. Da man damals die herkömmliche Religion komplett abzuschaffen trachtete, waren diese Stätten eben auch, und vermutlich an erster Stelle, als religiöse Kult- und Weiheplätze gedacht. Der sportliche und übrigens auch der kampfsportliche, militärische Aspekt ist jedem Griechenlandkenner hinlänglich bekannt: Man denke nur an Olympia.

Was war übrigens Olympia bei den Griechen? Nicht das, was es heute im Konsum- und Unterhaltungszeitalter der Fernsehzuschauer ist. Olympia war ebenfalls eine religiöse Veranstaltung, dem Weltbild der Griechen entsprechend, die noch nicht — so wie wir heute — zwischen Geist und Körper teilten und Psyche von Materie schieden. Der vollkommene Mensch der griechischen Welt war ein ganzheitliches Wesen, bei dem körperliche Fertigkeit und Fitneß eben auch den inneren Zustand, die geistige Brillanz, Geschmeidigkeit und Wachheit ver-körperte.


Die Anklänge ans Griechische, die sich bei den Nazis zuhauf finden lassen, werden heute gern als Imitation und Kitsch belächelt. Jedoch kann man sicher davon ausgehen, daß die heute neoklassizistisch genannten Stilelemente der Nürnberger Bauten mit voller Absicht gewählt wurden, um eine überzeitliche, keinen Moden unterworfene Ästhetik zu manifestieren. (Den neoklassistischen Ansatz halte ich persönlich immer noch für legitim, wie z.B. die Bauten König Ludwigs I. in München zeigen, der auch den Königsplatz geschaffen hat.)

Bei den Griechen waren Kunst, Architektur, Sport, Gesundheit, Philosophie und Religion noch eine Einheit — etwas, das die meisten Zeitgenossen (man nehme mich bitte aus) sich heute überhaupt nicht vorstellen können. Wer sich etwas mit der Tradition der bedeutsamsten südgriechischen Kultur, den Spartanern, beschäftigt, wird wissen, daß die Vorbereitung auf den Kampf ebenso dazugehörte. Übrigens verdankt die griechische Kultur ihr Überleben genau dieser spartanischen Kriegsfertigkeit, ohne die sie sich in den entscheidenden Schlachten, etwa bei Thermopylae, nicht gegen die einfallenden Perser unter Xerxes hätten behaupten können.


Religiös war für die Planer dieses Areals die Absicht, die Anlage als sogenannten Heiligen Hain zu erschaffen. Für die esoterischen Aspekte zeichnete Heinrich Himmler verantwortlich, der die von ihm geführte SS als Nachfolgeorganisation des Templerordens verstand. Als religiös war auch jedes Auftreten des Führers konzipiert, dessen Reden man also auch mit Predigten vergleichen könnte. Dadurch entstand natürlich bei den exakt geplanten und mit akribischer Präzision durchgeführten Massenveranstaltungen die entsprechend ergreifende, euphorische Stimmung, bei der keinerlei Raum für Widerspruch oder Kritik vorgesehen war — etwas, worüber sich heute viele kopfschüttelnd und ironisch äußern. Aber auch sie verspüren Ähnliches, nur in anderen Lebensumständen, oder fühlen sich, wenn es ihnen fehlt, innerlich unausgefüllt und landen dann bei irgendwelchen Suchtdrogen, New-Age-Sekten etc. Die Grundbedürfnisse sind immer noch dieselben — jede Zeit hat nur andere Arrangements zu bieten, diese entsprechend auszuleben und nach Möglichkeit zu befriedigen.

Der religiöse Aspekt ist es meiner Beobachtung nach auch, der für die Kompromißlosigkeit sorgte, mit der Andersdenkende brutal ausgegrenzt und verteufelt wurden. Die Einheit wurde auf Kosten von Haßprojektionen nach außen gewonnen.


Deutsches Stadion

Nur der Grundstein und der aus der damaligen Baugrube entstandene heutige Silbersee zeugen vom überdimensionalen Deutschen Stadion, in dem einmal 405.000 Menschen Platz finden sollten. In Anlehnung an griechische olympische Stadien wurde es nicht als geschlossenes Rondell, wie sonst bei derartigen Bauten üblich, sondern zu einer Seite hin offen konzipiert.

Reichsparteitagsgelände, Deutsches Stadion, Modell

Deutsches Stadion, Modell


Fragment im Fragment: Das neue Dokumentationszentrum

Das folgende Bild zeigt den Blick durch das neu eröffnete Dokumentationszentrum, das mit hohem Kosten- und Arbeitsaufwand quer durch die Seitenwand der Kongreßhalle geschnitten wurde und mit seinem verglasten Durchgang wie ein Speer wirken soll (in Anspielung auf den Haupt-Architekten des Parteitagsgeländes, Albert Speer).

Der Speer setzt sich auch noch außerhalb des Gebäudes fort und zielt als sogenannter Geheimer Pfeil (nach Feng Shui) auf die Front eines gegenüberliegenden Wohnhauses.


Reichsparteitagsgelände, Dokumentationszentrum

Dokumentationszentrum
"Faszination und Gewalt"



Ich empfehle den Besuch dieses Museums in jedem Fall, auch wenn ich nicht der Auffassung bin, daß die Hintergründe des Nationalsozialismus hier ausreichend erforscht wurden. Der Frage nach den Ursachen der damaligen Faszination, den Ursachen der ungeheuren Begeisterung bei einem Großteil der damaligen deutschen Bevölkerung, oder dem enormen Energieschub in vielen Lebensbereichen wird hier in keinster Weise nachgegangen — offenbar sind den heute Verantwortlichen solche Fragestellungen immer noch zu brisant.

Einiges wird angeboten, umso mehr wird geflissentlich ausgeklammert. Ausführliche Literatur zum Dritten Reich gibt es überhaupt keine; man beschränkt sich beim Bücherstand lieber auf Ausgaben zu den Nürnberger Prozessen — da meint man wohl, man könne nichts falsch machen.


So, wie Produkte konzipiert und für einen bestimmten Marktauftritt fitgemacht werden, werden heute leider häufig auch Museen konzipiert: Als fertig vorgekautes, mit einer vorgegebenen Grundintention angelegtes Ganzes, bei dem alles auf die beabsichtigte Wirkung hin abgestimmt ist, einschließlich Beleuchtung, Farben, Klänge, Videofilme usw. Ich persönlich lehne es ab, mich solcher Art von Beeinflussung zu unterwerfen. Wenn hier z.B. der Eindruck erweckt werden soll, man hätte es auf diesem Areal nur mit bösen und schlechten Dingen zu tun, dann frage ich, warum nicht das Risiko eingegangen wird, die Leute selbst denken und ihre eigenen Schlußfolgerungen ziehen zu lassen — indem man ihnen zum Beispiel Fragespiele anbietet der Art: Wie würden Sie sich verhalten, wenn.... Wählen Sie unter 1., 2. und 3.

Jeder, der sich selbst nachdenklich einbringt und nicht nur Schablonen konsumiert, wird sich eingestehen müssen, daß er auch nicht viel anders denkt als Menschen früherer Zeiten — nur in moderner Kulisse, die, wenn wir Glück haben, ihre Mordbegierden gerade nicht offen zeigt, wenigstens hier nicht! Wenn er dann durch Selbsterkenntnisse, die sich möglicherweise einstellen, etwas bescheidener geworden ist, wird er vielleicht auch sensibler geworden sein.

Gibt es nicht heute noch viel mehr Faszination als früher, nur eben andere, weichere, subtilere, aber mindestens genau so schwer durchschaubare (siehe moderne Massen-Medien, siehe heutige Politik-Inszenierungen, heutige Unterhaltungs-Oberflächlichkeit)? Wenn also, wie hier suggeriert, Faszination in Gewalt mündet, wohin gehen wir dann? Die Menschen schlafen heute genau so fest, wie sie damals schliefen — nur auf andere Weise. Statt auf andere Epochen herabzuschauen, sollten sie ihre eigene Epoche einmal wie aus anderer Perspektive zu sehen versuchen, vielleicht würden sie dann nicht mehr vom hohen Roß aus urteilen und sich weiterhin so sicher fühlen.

Man hat sich die Mühe gemacht, schwerste Mauern zu durchbohren, um die Schneise für dieses Museum zu brechen — aber welche Mauern in den Köpfen wurden durchbohrt? Offenbar ist die zweite Art von Wänden noch um einiges härter als die erste.


Vision und Verantwortung

Bei einer echten Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus müßten auch die unbestreitbaren Errungenschaften, vor allem in der Zeit bis 1936, gewürdigt werden. Das heißt nicht, das Wissen zu leugnen, daß das Regime von einer Mörderclique angeführt wurde — daß es niemals legitim war, sondern schon vom ersten Tag an mit Gewalt, Lügen, Fälschungen und Außenseiter-Haß operierte. Mit Errungenschaften meine ich: Den Menschen wurde damals ein neues Ziel, eine Vision gegeben, und es ist nicht wahr, daß derartige Visionen allesamt und unweigerlich in Zerstörung und Selbstzerstörung führen müssen. Durch die Bündelung auf die Vision einer einigen Gesellschaft, die zusammen Neues und Großartiges aufbaut, wurden ungeahnte Kräfte freigesetzt, die viele Menschen als beglückend und förderlich empfanden.

Diese Kräfte zu tabuisieren nützt niemandem, denn jeder hat solche Kräfte in sich und jeder muß lernen, mit ihnen zurechtzukommen. Wer nur verdrängt und vermeidet — und andere Menschen so konditionieren will, daß nicht wieder so etwas Schlimmes passiert —, kann sich damit nur vordergründig über die Zeit retten, hat aber keine echte Lösung anzubieten. Die Zwiespältigkeit, die das damalige Regime wiederspiegelte, läßt sich in jedem einzelnen Menschen wiederfinden, und nur wenn er es vollbringt, dieser Tatsache offen ins Auge zu sehen und die gegensätzlichen Seiten in sich selbst anzuerkennen, kann (in jedem einzelnen und zugleich damit für die ganze Gesellschaft) die Wunde geheilt und eine neue, positive Perspektive gefunden werden.


Fahren auch Sie hin!

Wenn Dinge totgeschwiegen und verdrängt werden, so bleibt es heute zum Glück doch jedem selbst überlassen, sich ein eigenes Bild zu machen. Man kann und konnte dieses Areal nicht austilgen und auch die feige Lösung, das Gras solange darüberwachsen zu lassen, bis möglichst wenig davon zu sehen ist, wird auf Dauer nicht zum gewünschten Ziel führen. Die Gebäude stehen da, und jeder kann sie anschauen.

Daher: Wenn Sie es auch nur irgendwie einrichten können, empfehle ich Ihnen, diesem Gelände unbedingt einen Besuch abzustatten, um sich ein eigenes Bild von den Gegebenheiten machen zu können. (Berücksichtigen Sie, daß Sie mindestens eine halben, besser einen ganzen Tag benötigten, um sich die wichtigsten Ortlichkeiten gründlich anschauen zu können).


Auch wenn ich es eigentlich für selbstverständlich halte, hier noch einmal explizit die Aussage: Dieser Text — und ebenso meine Empfehlung, das Zeppelin-Gelände aufzusuchen — stellt keinerlei Progaganda für braune Gruppierungen oder dergleichen verstockte Mentalitäten dar. Ich denke, ich kann getrost davon ausgehen, daß Leser dieses Architektur-Journals über genug Grips verfügen, um gegen jede Art von platten Denkschemata immun zu sein.


Die Betroffenheit angesichts der Greueltaten der Nazi-Gesellschaft — d.h. der durch skrupellose Verbrecher angeleiteten und fehlgeleiteten, sich aber auch selbst zu einer Fehlleitung bereitstellenden deutschen Bevölkerung — sollte uns nicht auf immer und ewig davor zurückschrecken lassen, uns mit den in uns liegenden, durch gewisse Gebäude aktivierten Kräften und Energien wieder vertraut zu machen und zu wagen, damit auf bessere Weise, als das seinerzeit geschah, umzugehen.


Ausgewählte Links

Führungen zum Reichsparteitag Nürnberg unter Feng-Shui- und Geomantie-Aspekten von Martin Schmidt-Bredow — Kontaktinfo

Das Reichsparteitagsgelände im Südosten von Nürnberg— Informative CSU-Seite mit vielen Abbildungen und Sachinformationen.

Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände

Zeppelinfeld (Franken-Wiki)


Weiterführende Tips

leni-riefenstahl.de — Homepage von Leni Riefenstahl.

Uni Bochum: Leni Riefenstahl-Rezeption nach 1945: Leni Riefenstahl: Verklärt, verdächtigt, vereinnahmt.

Leni Riefenstahl-Biographie: Tänzerin, Regisseurin, Photographin.

Die Macht der Bilder, sehenswerter Dokumentar-Film über Leni Riefenstahl von Ray Müller; siehe auch amazon.de (DVD).

Schwarze Sonne, sehenswerter Dokumentar-Film von Rüdiger Sünner, jetzt auch als Taschenbuch erhältlich.


Hierzu auch:

Zur Symbolik der SS-Kultstätte Wewelsburg: "Bruder Hitler" — Christenkreuz und Schwarze Sonne, das Fremde in uns und die Fremden um uns.

Heinrich Himmler und die Schwarze Sonne von Arfst Wagner.

— Gerd-Lothar Reschke —
30.7.2002

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